Otto Erich

Pierre-Vago-Haus im Hansaviertel
Caspar und John treffen Herrn Wieghardt hoch oben auf der Dachterrasse des Vago-Hauses. Er wohnt seit 2001 im Hansaviertel und kam mehr durch Zufall hierher. Davor wohnte er auf Lanzarote. Eines Tages kehrten junge Leute aus Berlin bei ihm ein und fragten ihn, was er denn im Leben noch so vor hätte und ob er nicht Lust hätte, nach Berlin zu ziehen. Und weil er das auch nicht so genau wusste, sagte er: „Warum nicht?!“ Jetzt hat er einen Ausblick, fast so schön wie auf Lanzarote – nur ohne das Meer …

Was haben Sie denn früher gearbeitet?
Ich habe Versicherungen verkauft. Aber neben meinem Büro habe ich eine kleine Kunstgalerie betrieben. Das eine wurde mit dem anderen finanziert und umgekehrt. Das ging so gut, dass ich dann nach Spanien gehen konnte.

Was ist das Besondere an diesem Haus?
Sie haben schon über die schöne Aussicht gesprochen …
Es gibt nicht viele kleineWohnungen, die einem eine so schöne Aussicht bieten. Ich fühle mich sehr wohl in meinem „Wolkenkuckucksheim“. Schwierig wird es, wenn der Fahrstuhl nicht geht und ich die ganzen Treppen hochsteigen muss, dann machen sich meine altenKnochen bemerkbar. „Geh mal eben einkaufen!“ – Ja, von wegen.

Ich bin durch meine Aktivitäten praktisch hier festgenagelt worden. In Moabit, über die Bärenbrücke, gab es „Die Sonnenblume“, einen Seniorentreff. Dort trafen wir uns, tranken Kaffee und redeten über Literatur. Erst gab ich eine Zeitlang dort Spanischkurse, später gründeten wir eine kleineZeitschrift, „Die Sonnenblumenblätter“. So hatte ich schließlich meinen Job als Redakteur. Tja, und dann fand ich es nicht so schlecht, in Berlin zu bleiben. Ich habe mein Haus auf Lanzarote verkauft und von dem Geld hier eine Wohnung gekauft. Meine Frau, die noch an meinem Heimatort wohnte, kam auch nach Berlin. Da wir unterschiedliche Interessen hatten, haben wir hier im Hansaviertel eine parallele Wohnsituation geschaffen, um die uns alle Leute beneidet haben. Wir beide konnten jeweils unsere eigenen Interessen nachgehen, und ich ging ihr nicht auf den Wecker!
Haben Sie einen Lieblingsort in diesem Viertel?
Zurzeit bin ich am liebsten im Gemeindesaal der katholischen Kirche, weil ich dort zweimal die Woche Sport mache. Es ist mir wichtig, dass ich möglichst lange beweglich bleibe. Sonst kenne ich hier im Kiez nur wenige Menschen. In einem Dorf, wo die Kirche mitten drin steht und daneben eine Kneipe, wo man abends ein Bier trinken kann, da kennt jeder jeden. Hier fehlt so etwas!

Hat sich aus Ihrer Sicht irgendwas zum Positiven verändert?

„Ich habe den Wunsch, in einer aufgeschlossenen, modernen, gut durchdachten und sauberen Umgebung zu leben, wo ich auf Leute treffe.“
Ich schätze es zum Beispiel, wenn ich einfach nur eine Bank finde, auf der man zusammen sitzen kann. Sonntags gehe ich in die Hansabibliothek. Durch die Angebote dort kommt ein bisschen Leben ins Viertel. Ansonsten passiert hier leider nicht viel.
Was sollte sich Ihrer Meinung nach noch verändern?
„Man muss mit kleinen Dingen anfangen: zum Beispiel die Bänke wieder da hinstellen, wo sie abmontiert wurden.“
Wenn ich alleine spazieren gehe und mich irgendwo hinsetzen möchte, denke ich: „Hier war doch früher eine Bank – warum ist die nicht mehr da?“ Das ist leider an vielen Plätzen der Fall. Vor der Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche gab es früher Bänke. Die sind nicht mehr da. Oder am Ende der Händel-Allee, da waren früher mal mehr Bänke. Jetzt steht da nur noch eine Bank, oder zwei. 
Es gibt einige solcher guten Dinge, die einem auffallen, wenn sie fehlen. Man hofft, sie kommen wieder – aber sie sind bisher nicht wiedergekommen.

Werden sich Menschen in 100 Jahren auch noch am Hansaviertel erfreuen können?
Es müsste sich so Einiges verändern, auch in den Köpfen der Menschen und in ihren Beziehungen zueinander. Viele leben nur noch in der digitalen Welt, und oft geht es nur um Geld, Geld, Geld. Im Alto Haus gibt es einen wunderschönen und munteren Großraum, der eigentlich dafür gedacht war, dass sich die Bewohner dort treffen können, ganz umsonst ! Dort gibt es zwar auch ein paar Bänke, aber er wird trotzdem kaum genutzt.
Man könnte aus dem Hansaviertel das tollste Viertel machen! Gerade für junge Leute wäre es gut, sich zusammen ein Ziel zu setzen. Für etwas, das wirklich wichtig ist. Worauf man hinterher stolz sein kann. Wer hat den Mut, etwas auf die Beine zu stellen? „Wir gestalten unseren Kiez“ – Man könnte gute Vorschlägen aufschreiben und sammeln. So könnte man gemeinsam was erreichen! Dafür könnte man mal die Alten ansprechen, die haben genug Geld. Dafür müssen Menschen zusammengebracht werden, damit Schwung reinkommt. Einzeln bewegt sich nichts.

Kommt, ich zeige euch das Dach!

„Man könnte aus dem Hansaviertel das tollste Viertel machen! Wer hat den Mut, etwas auf die Beine zu stellen?“

Hier gibt es weitere Infos zum Haus von Pierre Vago..